Oft sind wir sehr fokussiert unerwünschtes Verhalten zu korrigieren. Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit Deinem Muli klar zu machen, dass Du das war es gerade tut nicht so toll findest: Ignoriere schlicht weg sein Verhalten. Das heisst, das Verhalten Deines Mulis läuft ins Leere. Es gibt keine Reaktion Deinerseits, weder positiv noch negativ.
Heisst das, Dein Muli kann machen was es will und Du reagierst nicht darauf? Du siehst jetzt sicher vor Deinem geistigen Auge, wie Dein Muli zu einem unerzogenen Monster mutiert.
Nein natürlich nicht, aber es gibt Situationen, wo Ignorieren eine sehr wirkungsvolle Art der «Korrektur» ist. Dann gibt es natürlich Situationen wo der Schuss nach hinten losgehen kann, wenn Du Dein Muli ignorierst.
2 Situationen im Maultiertraining, in denen das Ignorieren sinnvoll ist
Dein Maultier verlangt nach Aufmerksamkeit (oder nach Futter)
Im Rahmen von Hildegards «Physiotherapie» mache ich verschiedenste Dehnübungen mit mit ihr, mit Hilfe einer Karotte. Sobald Hildegard erwarten darf, dass sie eine Belohnung kriegt wird sie zum Hampelmann. Sie scharrt schlenkert mit dem Kopf, trippelt herum vor lauter Vorfreude. Ich stehe dann einfach an ihrer Seite schaue irgendwo in die Ferne und schenke ihr absolut keine Beachtung bis sie ruhig neben mir steht. Und das kann durchaus ein bisschen dauern, obwohl es immer besser wird. Hildegard muss lernen, dass die dieses Gehampel nicht zum Ziel führt. Im Gegenteil, je schneller sie ruhig steht, je schneller können wir mit der Übung beginnen und desto schneller kriegt sie im Endeffekt ihre Karotte.
Ich könnte Hildegard natürlich auch korrigieren und sie immer wieder korrekt hinstellen, aber ich finde das wenig hilfreich. Denn sie ist eh schon aufgeregt, und das ständige Einwirken auf sie würde sie nur och hibbeliger machen.
Es gibt auch Situationen in denen das Muli schlicht Deine Aufmerksamkeit einfordert. Es will das Du ihm Beachtung schenkst –jetzt. Dann ist eine Korrektur wenig sinnvoll. Denn Korrektur ist Aufmerksamkeit. Du kennst sicher die Situation: Mutter ist am Telefon, Kind will Aufmerksamkeit. Meist geht das so von statten, dass die Mutter immer wieder auf das Kind einredet, eventuell schimpft und ihm klar zu machen versucht, dass sie ihn jetzt nicht beachten kann, weil sie am Telefon ist. Das Kind kriegt aber genau das was es mit seinem Verhalten bezweckt, Aufmerksamkeit. So ähnlich kann Dir das auch mit unseren Mulis passieren.
Genau wie bei der Mutter am Telefon ist es aber auch nicht einfach jemanden zu ignorieren, der Aufmerksamkeit will. Das kann ganz schön Nerven kosten.
Dein Maultier zeigt nicht die gewünschte Reaktion im Training
Das Ignorieren kann im Training gebraucht werden, wenn das Muli etwas zeigt, was Du eigentlich gar nicht möchtest. Egal ob es Deine Hilfen falsch verstanden hat oder findet, dass dies für ihn jetzt gerade einfacher sei. Zum Beispiel Du möchtest die Tritte im Schritt verlängern und Dein Muli trabt an. Jetzt kannst Du entweder zurück zum Schritt parieren, also korrigieren. Oder Du ignorierst das Antraben und bleibst passiv. Das Muli merkt, dass Du es nicht bestätigst und realisiert, dass dies nicht richtige Antwort auf Deine Frage ist. Diese Art der Kommunikation funktioniert natürlich nur, wenn Dein Muli erwarten darf, dass Du immer positiv reagierst, wenn es die Aufgabe richtig ausführt. Funktioniert die Zusammenarbeit mehr nach dem Motto «Solange nicht gemotzt wird, wird es wohl stimmen», wird das Muli nicht auf solche subtilen Kommunikationsmittel reagieren. Diese positive Reaktion kann ein stimmliches Lob sein, muss aber nicht. Mulis sind sehr sensibel und merken sehr wohl, wenn Du schlicht aber ehrlich denkst «toll gemacht». In täglichen Training kannst Du sehr gut mit Ignorieren und Korrigieren spielen, je nach dem was in der konkreten Situation angepasst ist.
2 Situationen in denen es nicht sinnvoll ist Dein Maultier zu ignorieren
Dein Maultier will von Dir weg
Will das Muli zum Beispiel in Gras ziehen, zu seinen Stallkameraden oder sonst wohin, kommst Du mit Ignorieren nicht weit. Ganz einfach, weil es Deinem Muli in dem Moment egal ist, ob Du mitkommst oder nicht. Es will Deine Aufmerksamkeit gar nicht, und deshalb sticht die Karte mit dem Ignorieren nicht . Hier musst Du es schaffen, dass Dein Muli Dir wieder Aufmerksamkeit schenkst. Du musst also in Aktion treten.
Dein Maultier respektiert Deinen Raum nicht
Wie Du vermutlich weisst, spielen im Sozialverhalten der Pferde und auch der Mulis ihr persönlicher Raum eine sehr wichtige Rolle. Wer weichen muss, wer in welchen Raum treten darf bestimmt, wie die einzelnen Herdenmitglieder zu einander stehen. Auch wenn Mulis weniger hierarchisch funktionieren als Pferde, haben sie dieses Prinzip, dass die persönlichen Räume beachtet werden müssen von ihrer Mutter gelernt. Hier hört das Ignorieren auf. Rempelt Dein Muli, musst Du ihm sofort und deutlich klarmachen, dass es Deinen Raum zu respektieren hat. Danach kannst Du es auch getrost wieder ignorieren, wenn es Sinn macht.
Ich finde das Ignorieren ist eine subtile aber sehr starke Form einem Muli klar zu machen, was man möchte und was nicht. Die Grundvoraussetzung, dass diese Möglichkeit im Training funktioniert ist natürlich, dass Deinem Muli an Deiner Aufmerksamkeit und Zustimmung grundsätzlich gelegen ist. Wenn Dich jemand ignoriert, der Dir völlig gleichgültig ist, wirst Du es vermutlich nicht einmal richtig wahrnehmen. Und genau so ist es auch bei Deinem Muli.
Ich hoffe ich kann Dich mit diesem «Trainings-Tool» zum Nachdenken und Ausprobieren anregen.
Viel Spass dabei.