«Warum reitest Du ein Maultier?» Diese Frage wird mir immer wieder von Rösseler-Freunden gestellt. Und meist schwingt da so ein Unterton mit von «Warum tust Du Dir das bloss an?» Meine Standard-Antwort ist dann jeweils: «Ich hatte als Kind Esel und ich liebe Langohren» «Ja dann…»
Was macht Maultiere anders als Pferde? Sind sie wirklich schwieriger im Umgang und im Reiten als Pferde?»
Nachdem ich den Langohren gut 25 Jahre «untreu» war, habe ich mich wieder intensiv mit ihnen beschäftigt seit Hildegard in mein Leben gestolpert ist. Apropos untreu: Meine Eselfigürchen, die ich als Kind gesammelt habe stehen immer noch bei mir im Regal. Alle Artikel aber die ich über Esel ausgeschnitten und in einem Ordner abgelegt habe, habe ich irgendwann einmal weggeworfen. Etwas ich heute sehr bereue.
Nun aber zurück zum Thema: Erstens gibt es nicht DAS Pferd: Wenn wir von «Pferd» sprechen, meinen wir häufig «Warmblut». Sehr urtümliche Ponyrassen wie zum Beispiel der Huzule ist in seinem Verhalten schon meilenweit von einem Warmblut entfernt. Und der Huzule gilt ebenfalls als nicht einfach.
Aber auch ein Huzule oder ein Shetland-Pony ist ein Pferd.
Esel und Pferde unterscheiden sich grundlegend voneinander
Wo hingegen der Esel eine andere Art aus der Gattung der Equiden ist. Wie auch das Zebra. Der Esel unterscheidet sich anatomisch wie auch von seinem Verhalten her grundlegend vom Pferd. In diesem Artikel möchte ich «nur» auf das Verhalten eingehen und auch hier werde ich nur an der Oberfläche kratzen. Aber ich möchte Dir einen Einblick geben, warum Mulis anders ticken.
Die Vorfahren unserer Hausesel, der Nubische Wildesel, lebt in den Steinwüsten in Nordafrikas.
Das Pferd ist hingegen ein Steppentier. Das Steppentier hat immer die Möglichkeit ohne viel zu überlegen im vollen Galopp zu fliehen. All zu lange zu überlegen ist auch nicht sinnvoll, denn nicht nur das Pferd sondern auch das Raubtier hat in der Steppe kaum Hindernisse zu überwinden. Es geht also darum, den potentiellen Fressfeind frühzeitig zu bemerken und dann so schnell wie möglich Distanz zwischen sich und der Gefahr zu bringen.
Eine unüberlegte Flucht könnte für den Esel unter Umständen tödlich enden. Aber auch ein Angreifer muss sich in der schroffen Landschaft vorsichtiger bewegen. Also bleibt Zeit die Lage zu analysieren. Der Esel wägt immer zwischen drei Möglichkeiten ab: Stehenbleiben und abwarten, fliehen oder angreifen. Ja, der knuffige Esel ist viel angriffslustiger als ein Pferd!
Wie alle grossen Pflanzenfresser in der Steppe haben sich auch Pferde im Laufe der Evolution zu Herden zusammen geschlossen. Die Herde ist hierarchisch aufgebaut. Eine erfahrene Stute führt die Gruppe an und gibt den anderen Herdenmitglieder durch ihre Souveränität Schutz und Sicherheit. Pferde schliessen sich also gerne einer Führperson an, die die Rolle der Leitstute übernimmt.
Der Nubische Wildesel lebt in kleinen Gruppen, manche leben sogar solitär. Gerade die Hengste zeigen ein stark territoriales Verhalten. Die Esel sind sich also nicht gewohnt sich einem Leittier unter zu ordnen. Sie sind viel selbständiger unterwegs und entscheiden autonom.
Das Maultier trägt sowohl die Eigenschaften des Pferdes als auch die Eigenschaften des Esels in sich
Und das Maultier? Das hat im wahrsten Sinne des Wortes zwei Seelen in seiner Brust. Es ist viel autonomer als ein Pferd aber einer Führperson nicht ganz abgeneigt. Es flieht schneller als ein Esel aber hält sich die anderen Optionen auch immer offen. Und ein und dasselbe Maultier kann einmal mehr zum Esel und einmal mehr zum Pferd tendieren. Also tut man als MaultierbesitzerIn gut daran, sich nicht nur mit dem Verhalten des Pferdes sondern auch mit dem Verhalten des Esels vertieft auseinander zu setzten. Das macht den meisten mehr Mühe, weil man ja meistens über das Pferd zum Maultier kommt. Mir jedenfalls hat meine Jugend als bekennender Esel-Fan sehr geholfen.
Ich würde nicht sagen, dass Maultiere schwieriger sind. Sie sind einfach anders: äusserst intelligent, haben einen starken Selbsterhaltungstrieb und lagern das Denken nicht gerne aus. Mit Ausbildungsmethoden die auf Dominanz und Kontrolle basieren, kommt man beim Maultier nicht weit. Ich aber schätze es, wenn mein vierbeiniger Partner mitdenkt. Und ich empfinde dieses Verhalten nicht als schwieriger sondern als sicherer.
In einer Podcast-Episode von «Everyday Mulemanship» hat Ty Evans auf die Frage was Pferde und Mulis unterscheidet mit einer Analogie geantwortet. Die möchte ich Euch erzählen, da sie die Sache ziemlich genau auf dem Punkt bringt:
Das Pferd und der Esel sitzen in der Schule. Der Lehrer fragt. «Was gibt 2+2?» Das Pferd streckt sofort begeistert auf und ruft: «5» Der Lehrer: « Nein, nicht ganz. Aber es ist toll, dass Du so gut mitmachst.» Kurze Zeit später streckt das Pferd wieder auf, hochmotiviert und sagt «3» «Leider immer noch nicht richtig, aber dein Engagement gefällt mir.» Das Pferd rechnet weiter und ruft «Jetzt habe ich es: 4!» «Sehr gut gemacht, Pferd!»
Und was macht der Esel? Er streckt nicht auf. Der Lehrer geht an seinem Pult vorbei und fragt noch einmal: «Esel, was gibt 2+2?» Keine Antwort. Der Lehrer: «Hallo Esel, bist Du noch da? Was gibt 2+2?» Der Esel: «4 natürlich, das ist doch kinderleicht»
Beide Tiere meistern die Aufgabe. Aber der Esel tut dies anders als ein Pferd. Und viele Leute, die vor allem mit Pferden zu tun haben sind zu ungeduldig für die Art wie ein Esel die Aufgabe löst.
Und wie immer ist das Muli irgendwo zwischen den beiden Polen.
Ich hoffe ich konnte Dir in diesem Blog-Artikel die Langohren ein bisschen näher bringen und Dir aufzeichnen dass sie nicht unbedingt schwieriger aber definitiv anders sind.