Alle Equiden haben, bedingt durch ihren langen Hals mehr Gewicht auf ihrer Vorhand als auf ihrer Nachhand. Das ist auch kein Problem solange sie über die Wiesen streifen. Sobald sie aber ein Reitergewicht tragen müssen, ist es unerlässlich, dass die Hinterhand aktiviert wird und mit hilft das zusätzliche Gewicht zu tragen.
Gerade bei vielen Mulis ist diese Vorlastigkeit sehr ausgeprägt, oft verbunden mit einem festen Hals mit starker Unterhalsmuskulatur, den der Esel beisteuert. Daher stützen sich viele Mulis stark auf die Vorhand und können mit ihrem Hals eine enorme Kraft entwickeln, die sie auch schon mal gegen uns Menschen einsetzen können.
Umso wichtiger ist es, dass Du Deinem Muli zeigst, dass es seine Vorhand nicht nur dazu benutzen kann, Last aufzunehmen und sich so zu stabilisieren, sondern, dass es die Vorderbeine, Hals und Schulter auch in der Bewegung einsetzten kann.
Die Beweglichkeit der Vorhand, die Aktivität der Hinterhand und die Nachgiebigkeit im Hals gehen Hand in Hand und bedingen sich gegenseitig. Ideen wie Du die Hinterhand aktivieren kannst findest Du im Blog-Artikel Hinterhand aktivieren – 5 einfache Übungen die in Deinen Alltag mit Deinem Maultier einbauen kannst und wenn Du an der Nachgiebigkeit im Hals arbeiten möchtest ist, dieser Blog-Artikel für Dich interessant: Seitliches Nachgeben – Eine wichtige Grundlage im Maultiertraining
Nun aber zurück zur Vorhand, um die es hier ja gehen soll. Wenn Dein Muli die Vorhand primär zu Stabilisierung nutzt, wird es zuerst lernen müssen, dass es nicht aus der Balance kommt, wenn es die Vorderbeine und Schulter mehr bewegt. Deshalb ist es wichtig klein anzufangen damit Dein Muli in das neue Bewegungsmuster hineinwachsen kann.
Die folgenden 3 Übungen sind nicht so schwierig umzusetzen, haben aber eine grosse Wirkung
1. Leichte Verschiebung der Vorhand in der Bewegung
Du gehst neben Deinem Muli her, etwa auf Schulterhöhe. Dein Muli sollte ganz leicht nach innen gestellt sein. Sobald das innere Vorderbein abfusst, gibst Du Deinem Muli einen Impuls mit der Hand oder der Gerte, dort wo es auch Dein Schenkel tun würde. Das Muli sollte nun das innere Vorderbein etwas nach aussen führen.
Gerade auf dem Zirkel brauchen viele Mulis ihr inneres Vorderbein als Stütze. Diese Übung wirkt sehr simpel, kann für Dein Muli zu Beginn aber eine Herausforderung sein, da es auf einmal auf seine liebgewordene Stütze verzichten soll. Gehe die Übung langsam an. Verlange einen Schritt Weichen und dann wieder mehrere Meter geradeaus (oder in einem grossen Zirkel) und dann kommt wieder einen Schritt.
2. Mit den Vorderbeinen rückwärts über ein Stange
Dein Muli soll mit einem Bein über eine Stange treten. Zuerst vorwärts und danach wieder zurück. Wenn Dein Muli die Aufgabe verstanden hat, kannst Du die Stange auch leicht erhöhen.
Um mit dem Bein rückwärts über die Stange zu treten, muss Dein Muli seine Schultern anheben. Eine kleine Übung die Dein Muli schnell verstehen wird und eine grosse gymnatizierende Wirkung hat.
3. Rückwärts gehen und Vorhand verschieben
Rückwärtsgehen ist an sich schon eine tolle Übung, um Deinem Muli zu zeigen, dass es sein Gewicht vermehrt auf die Hinterhand verlagern kann. Geht Dein Muli locker rückwärts ist das der ideale Ausgangspunkt, dass Dein Muli seine Vorhand freier bewegen kann.
Voraussetzung für diese Übung ist, dass Dein Muli locker rückwärts geht. Es reichen ein paar wenige Schritte, aber die Leichtigkeit ist entscheidend. Liegt Dein Muli noch mit seinem gesamten Gewicht auf der Vorhand und Du musst es fast rückwärts schieben, fokussiere vorerst noch auf das Rückwärtsgehen.
Geht Dein Muli locker rückwärts, lässt Du die Vorhand aus der Bewegung einen Schritt nach links oder rechts weichen. Ein Schritt reicht.
Dazu stehst Du am besten auf Kopfhöhe Deinem Muli und lässt es rückwärtsgehen. Hast Du das Gefühl von einer gewissen Leichtigkeit, gibst Du ihm Handzeichen oder ein Zeichen mit der Gerte, damit es weicht. Wenn ich möchte dass mein Muli nach links weicht, drehe ich mich nach links und hebe die rechte Hand. Sobald Dein Muli einen Ausfallschritt mit dem Vorderbein macht, pausierst Du.
Mit dieser Übung kriegt Dein Muli eine Idee davon, dass die Hinterhand auch ihren Teil zur Stabilisierung leisten kann und es mit der Vorhand mehr Bewegung wagen kann.
Für Dein Maultier kommt Stabilität immer vor Bewegung
Zum Abschluss möchte ich Dich noch auf eine Tatsache aufmerksam machen, die wir im Training mit unserem Muli immer vor Augen haben sollten.
Das Gehirn, egal ob von uns Menschen oder von unserem Muli steuert die Bewegungsabläufe, oft auch unbewusst. Und das Gehirn muss manchmal Prioritäten setzen. Eine wichtige Priorität ist Stabilität vor Bewegung. Droht Dein Muli aus dem Gleichgewicht zu geraten, wird sein Gehirn auf den Knopf «Stabilität» drücken. Das oberste Ziel in diesem Moment ist den Körper zu stabilisieren, um einen Sturz zu verhindern. Denn Stürze können gefährlich sein.
Wenn Dein Muli also das Gefühl hat, die Balance zu verlieren, wird es sich festmachen, die Beweglichkeit kann warten. Viele vermeintliche Unarten wie gegen die Hilfen gehen, sich festmachen, rennen, sind nicht selten schlicht ein Versuch sich zu stabilisieren.
Gerade wenn wir unserem Muli zeigen möchten, dass es sich freier in der Vorhand bewegen soll und kann, müssen wir behutsam vorgehen, Schritt für Schritt. Denn aus Sicht des Mulis manipulieren wir gerade an seiner sicheren Stütze herum.
Dies solltest Du im Hinterkopf behalten und nicht zu viel von Deinem Muli verlangen. Nur wenn es sich sicher fühlt wird es mehr Beweglichkeit wagen.
Ich hoffe ich konnte Dir ein paar Impulse helfen Dir und Deinem Muli auf Eurem Weg zu mehr Balance und Lockerheit.
Ich wünsche Dir viel Spass beim Ausprobieren.